
Der Lean Transfer ins Büro
Wie lassen sich Lean-Production-Prinzipen auf administrative Bereiche übertragen?
Bei einer Übertragung der Lean-Prinzipien sind zwei wesentliche Faktoren entscheidend. Zum einen handelt es sich hierbei um die sichtbaren und unsichtbaren Abläufe. Während die Abläufe in der Produktion beispielsweise häufig sehr leicht zu erkennen sind, gestaltet sich dies aufgrund der angewandten EDV im administrativen Bereich weitaus schwieriger. Viele Abläufe laufen direkt über den Computer und werden in der Regel zu jedem Themenbereich von einem einzelnen Mitarbeiter betreut. Andere Mitarbeiter haben auf den derzeitigen Bearbeitungsstand keinen Zugriff und können somit auch keine möglichen Zeitverschwendungen aufdecken. Sinnvoll ist es also, alle einzelnen Beteiligten eines Prozesses zusammenzutrommeln und ihnen die oftmals kompliziert ablaufenden Prozesse zu erläutern. Sofort wird sich hierbei herausstellen, dass aufgrund von Unwissenheit eine ganze Menge Arbeitsschritte als Verschwendung enttarnt werden können. Es ist von enormer Bedeutung, eine gewisse Kommunikation zwischen den verschiedenen Unternehmensbereichen zu schaffen, damit zukünftig derartige „verschwendete Zeit“ vermieden werden kann. Schnell können erste Zeitvergeudungen aus dem Arbeitsleben verbannt werden und die ersten Verbesserungsanstößen werden umgesetzt. Hierauf aufbauend entsteht bestenfalls eine bereichsübergreifende Lean-Kultur.
Zum anderen sind Mitarbeiter in den Bereichen der Produktion oder Montage bereits an die Lean-Methoden gewöhnt, da stets mehr Effizienz und Wertschöpfung von ihnen und ihren Arbeitsweisen erwartet wird. Für die Angestellten in den administrativen Bereichen der Unternehmen hingegen ist dies oftmals absolutes Neuland. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die Schwerpunkte der Leistungsoptimierungen liegen in beinahe jedem Unternehmen in den Produktionsbereichen, sodass Büros hiervon im Regelfall nie betroffen sind und nicht zum Nachweis einer gesteigerten Leistung aufgefordert werden. Da aufgrund dessen jedoch wichtige Zeit verloren geht, sollten die Lean- Prinzipien den Mitarbeitern in den Büros unbedingt nahegebracht werden. Dies kann in Form von Coachings oder Trainings geschehen, die den Mitarbeitern das nötige Wissen vermitteln sollen und sie positive Erfahrungen in diesem Bereich sammeln lassen. Führungskräfte in den jeweiligen Unternehmen sollten hierfür stets mit gutem Beispiel vorangehen, damit sich die Einstellung der gesamten Belegschaft verändert. Sobald sich erste messbare Veränderungen aufzeigen, sollten diese entsprechend gewürdigt und gefeiert werden, um die Motivation der Mitarbeiter weiter zu stärken.
Obwohl es eine ganze Menge umfassender Literatur für die einzelnen Themenbereiche des „Lean-Managements“ gibt und nachweislich bereits viele Firmen große Erfolge mit Hilfe dieser Werke gefeiert haben, beschränken sich die meisten Unternehmen auf die Verbesserung spezieller Abläufe in bestimmten Bereichen, anstatt das gesamte Unternehmen durchweg in allen Bereichen zu optimieren.
Administrative vs. Produktions-Prozesse
Der wesentliche Unterschied zwischen administrativen und produktionstechnischen Prozessen ist der, dass im administrativen Bereich Informationen verarbeitet werden und in dem Produktionsbereich dementsprechend Materialien. Die Abläufe sind im Grunde genommen jedoch die selben. Dennoch gibt es einige Gründe, weshalb die Umsetzung eines erfolgreichen Prozessmanagements für die Abläufe in den Büros schwieriger zu meistern sein kann als für die Abläufe in den Produktions- oder Montagebereichen. Diese Gründe lauten wie folgt:
- die Aktivitäten und Ergebnisse sind weniger transparent
- eine Standardisierung der Abläufe gestaltet sich schwieriger
- die Wiederholung der einzelnen Abläufe kommt seltener vor
- Operative Kennzahlen und Messbarkeit sind weniger ausgeprägt
Auf die einzelnen Faktoren möchten wir nun der Reihe nach weiter eingehen und diese erläutern:
1. Transparenz
In der Administration handelt es sich weitestgehend um sogenannte indirekte Prozesse. Diese sind nicht so leicht nachvollziehbar, da sie häufig versteckt und nicht öffentlich sichtbar ablaufen. Bei direkten Prozessen hingegen, wie sie häufig in der Produktion zu finden sind, lässt sich die Arbeitsweise deutlich besser nachverfolgen. Die Abläufe sind somit transparenter und können von Außenstehenden wahrgenommen werden. In der Produktion kann ein Außenstehender sofort erkennen, welche Arbeiten die einzelnen Mitarbeiter bislang geleistet haben, da ein Ergebnis vorliegt das gesehen und angefasst werden kann. Bei den Arbeitsabläufen in den Büros hingegen ist es völlig anders. Zwar lässt sich durch Außenstehende erkennen, dass die Mitarbeiter am Computer sitzen und diesen bedienen, es lässt sich jedoch nicht eindeutig sagen, ob die Mitarbeiter Arbeiten durchführen, sich mit ihren Social Media Konten beschäftigen oder Computerspiele spielen. Um festzustellen, was genau der Mitarbeiter in seiner Arbeitszeit also leistet, müsste ein Außenstehender ihm ganz genau über die Schulter schauen, was selbstverständlich nicht möglich ist.
2. Standardisierung der Abläufe
Durch die gegeben Transparenz der Arbeitsabläufe ist es in der Produktion einfach, bestimmte Standards festzulegen. Diese können sich beispielsweise auf die Dauer bestimmter Abläufe beziehen oder auf die genaue Durchführung eines bestimmten Prozesses. in den administrativen Bereichen ist eine Standardisierung äußerst selten. Unternehmer und Mitarbeiter sind der Meinung, dass sich die Arbeitsabläufe in den Büros nicht genau festlegen lassen. Jeder Fall sei unterschiedlich und würde eine andere Bearbeitungsdauer beanspruchen, heißt es oft. Dennoch ist es möglich, gewisse Standards in den Prozessabläufen der Büros einzuführen, auch wenn die dortigen Mitarbeiter dies wahrscheinlich erst einmal ablehnen werden, da sie es für unmöglich oder impraktikabel halten. In der Diskussion zu diesem Thema werden allerdings die folgenden drei Aspekte häufig nicht berücksichtigt:
a). Definierte Standards verbessern das Zusammenspiel zwischen Mitarbeitern und Maschinen. Durch die Festlegung bestimmter Prozesszeiten oder Durchführungsarten werden die Mitarbeiter geführt und an die Zusammenarbeit mit Maschinen oder anderen Kollegen besser gewöhnt. Nicht nur in der Produktion arbeiten die Menschen mit Hilfe von Maschinen. Auch in den Büros ist der Computer, der ebenfalls zu den Maschinen zählt, ein enorm wichtiger Bestandteil, ohne den die meisten Arbeitsabläufe nicht mehr erledigt werden könnten. Somit ist es durchaus möglich auch für die Arbeit mit dem Computer bestimmte Standardisierungen festzulegen.
b). Es ist ein Mythos zu behaupten, dass sich die Arbeitsabläufe in den Büros nicht wiederholen. Dies geschieht im Gegenteil sogar viel häufiger als gedacht. Hierfür müssen die verschiedenen häufig vorkommenden Auftragstypen definiert und als solche festgehalten werden. Das Zeitaufwände je nach Komplexität variieren können ist auch in der Produktion denkbar, wenn beispielsweise Sonderbestellungen gewünscht werden, Änderungswünsche bestehen oder benötige Teile erst noch bestellt werden müssen, sodass es zu Verlängerungen oder Verzögerungen der Ablaufdauer kommt.
c). Zu Abweichungen bei den festgelegten Standards kommt es sowohl in den administrativen als auch in den produktionstechnischen Bereichen. Die Art und Weise, wie mit einer solchen Situation umgegangen wird, ist jedoch sehr unterschiedlich. Kommt es in der Produktion zu einer Verzögerung, wird diese schnellstmöglich beseitigt. Es wird nach intensiv nach einer Lösung gesucht, die eine solche Verzögerung in der Zukunft vermeiden kann. In den administrativen Bereichen hingegen werden Störungen oder Verzögerungen nur selten als solche wahrgenommen, sondern gehören für viele Mitarbeiter zu dem Tagesgeschäft einfach dazu. Ein Analyse der Ursache dieser Störung und die Suche nach einer Verhinderung ähnlicher Störungen in der Zukunft findet im Regelfall daher gar nicht erst statt.
3. Wiederholbarkeit der Zyklen
Die Grundlage einer Standardisierung ist das ständige Wiederholen eines bestimmten Prozesses. In der Produktion ist es keine Seltenheit, dass bestimmte Abläufe hintereinander 10, 100, oder 1000 Mal genau so ablaufen. Im Büro geschieht dies deutlich seltener. Es gibt weniger Wiederholungen und mehr Störungsquellen wie das Bedienen des Telefons oder die Beantwortung unvorhersehbarer E-Mails oder Anfragen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Wiederholung eines bestimmten Zyklus stattfindet, auch wenn dies nur einmal am Tage geschehen mag. Die Quantität spielt hierbei nur eine untergeordnete Rolle. Es sind dennoch sich wiederholende Zyklen. Einen Standardablauf oder auch einen Zyklus als solchen zu definieren mag eine größere Herausforderung sein, ist aber dennoch möglich und sinnvoll.
4. Operative Kennzahlen und Messbarkeit
Allgemein gilt der Grundsatz, dass nur das gemanaget werden kann, was gemessen werden kann. Die Produktivität und die Durchlaufzeit sind beispielswiese wichtige Kennzahlen in der Produktion, nach denen Prozesse beurteilt werden können. Die Grundlage für diese Zahlen bilden die vorab definierten Standards für jeweilige Arbeitsschritte, für die sodann Zykluszeiten notiert werden. Hieraus lässt sich dann ermitteln, wie viele Teile beispielsweise an einem Tag oder in einer bestimmten Zeitspanne produziert werden können. Die Gründe weshalb dies in der Administration schwieriger ist, haben wir bereits vorher benannt. Die benannten Faktoren müssen nacheinander eingeführt und optimiert werden, damit die Lean Prinzipien Anwendung finden können. Es gibt eine ganze Reihe Fallbeispiele die verdeutlichen, dass die Lean-Prinzipien auch im Büro umsetzbar sind und funktionieren können. In vielen Unternehmen werden alle Abläufe von den Geschehnissen aus dem administrativen Bereich beeinflusst, weshalb auch viele Fehler in anderen Unternehmensbereich letzten Endes auf das Büro zurückzuführen sind. Typische Beispiele hierfür sind die drei folgenden:
a). Man stelle sich vor, dass die zuständigen Mitarbeiter im Büro fehlerhafte Materialien bestellen oder eine falsche Anzahl benötigter Materialien ordern. Der Auftrag für die Produktion kann nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden weil Teile fehlen. Es kommt zu Verzögerungen oder Produktionsstopps.
b). Obwohl bereits die Fertigung eines Auftrags für einen Kunden im vollen Gange ist, zieht der administrative Bereich einen Auftrag mit höhere Priorität vor. Der bestehende Auftrag muss abgebrochen werden. Wertvolle bereits investierte Zeit geht verloren und es kommt erneut zu Verzögerungen.
c). Die Entwicklung eines Produkt ist in der Theorie leichter gesagt als getan. Da die Mitarbeiter in der Produktion in den Entwicklungsprozess eines neuen Produkt nichts ausreichend eingebunden werden, um Auskunft darüber geben zu können, welche Umsetzungen in der Praxis tatsächlich möglich ist, kommt es zu Missverständnissen, Unstimmigkeiten und enormer Zeitverschwendung in diversen betroffenen Bereichen.

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